Ach, wie denke ich an die Zeit zurück, in der dieses zweite Baby nur herumlag und sich nicht rühren konnte.
Gut, es war schon immer eher der Kurzschläfer und lag nicht gerne nur herum, sondern wollte was erleben, aber dieser Mangel an Fortbewegungsmöglichkeiten, der das Baby frustrierte, war manchmal ein Segen. Wer hat nicht gern das Baby am Anfang auf der Couch schlafen lassen, als es sich noch nicht drehte, beim Wickeln auf dem Wickeltisch keine Sorgen gehabt und es genossen, kurz mal in die Küche zu gehen während es auf der Krabbeldecke im Wohnzimmer liegt.
Vorbei. Einfach schlagartig vorbei, diese Zeit. Liebe Jungmütter eines ersten Kindes – egal, wie müde ihr seid, genießt diesen Zustand! Denn er wird plötzlich VORBEI sein.
Nun sagt man ja, zweite Kinder sind häufig schneller in ihrer Entwicklung und außerdem besetzen sie andere Nischen, als ihr Geschwisterkind, sind also häufig das Gegenteil davon. Ich kann das bestätigen. Während sich meine erste Tochter gemütlich mit 9 Monaten nach ein wenig Kullern und Robben erstmal hinsetzte und danach das Krabbeln lernte, war mit diesem zweiten Kind die Ruhe schon ca. im 4. Monat vorbei. Es ging los mit Drehen und Robben. Mit dem Tag des vollendeten 6. Monats konnte das Baby sitzen, zwei Tage später krabbeln und im selben Atemzug begann es, sich hochzuziehen und an den Möbeln entlangzulaufen. Von da an wurde es sehr sportlich, denn nur einen Monat später wurde die Treppe beklettert. Mit 8 Monaten konnte nichts mehr auf dem Wohnzimmertisch stehen, keine Tischdecken durften benutzt werden und die Große musste sehr streng dazu angehalten werden, keinerlei Kleinteile herumliegen zu lassen und alle empfindlichen Spielzeuge und Kunstwerke babysicher wegzuräumen.
Seit einer Woche ist sie 9 Monate alt und sie macht die ersten Schritte. Luft holen ist nun für Mama nicht mehr drin. Nicht nur, dass sie ihre Schwester auf Schritt und Tritt verfolgt, ihr beim Malen das Papier und beim Spielen die Spielzeugteile klaut, an ihren Haaren zieht und jeden Vorleseversuch crasht, indem sie das Buch zerstören möchte (alles nur ein Versuch der Kontaktaufnahme und der Teilnahme, ganz bestimmt!). Nein, sie muss permanent überwacht werden. Geht jemand aufs Klo, rollt sie die Klopapierrolle ab, angelt sich die Klobürste oder steht fasziniert an der Schüssel um zu beobachten, was da vor sich geht – inklusive Hineingreifen. Die Große schreit dann immer wie am Spieß und ich muss das Baby festhalten bis sie fertig ist, denn Tür schließen beim Geschäft geht ja bekanntlich nicht. Föhne ich der Großen die Haare, lutscht das Baby die Shampooflasche aus, räumt hochkonzentriert den Badmülleimer aus und verteilt verspuckte Milch über den Badezimmerboden und sich selbst (alles schon passiert!). Zieht sich die Große an, werden ihre Kleider geklaut und angelutscht, woraufhin ich mit Baby (denn alleinlassen geht nicht) an den Schrank muss um neue Kleider auszuwählen, denn angesabberte Kleidung tragen ist natürlich ein No-Go im Kindergarten.
Aber nicht nur im Zusammenhang mit der großen Schwester wird es sportlich. Bin ich mit dem Baby alleine, so ist das Ganze noch schwieriger, denn es konzentriert sich ganz auf mich und ist nicht abgelenkt. Koche ich, öffnet es die Mülleimertür und ich setze es im Minutentakt wieder auf die andere Raumseite. Trinke ich Kaffee oder telefoniere, nutzt es all seine Kräfte um meine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen: Laut lachend werden die Knöpfe der Stereoanlage gedreht und bei jedem Nein gekichert wie verrückt. Also wieder: Aufstehen – Baby wegnehmen – hinsetzen – Baby protestiert – Baby krabbelt wieder zur Stereoanlage. Ein Teufelskreis. Lasse ich eine Zeitung in greifbarer Nähe liegen, wird diese zerrupft und gegessen. Wische ich die Spiegel sauber, folgt mir das sabbernde Würmchen und schmiert sie direkt wieder voll, denn es muss ja sehen, was ich da mache. Wäsche ausräumen ist fast unmöglich. Der Korb wird vom Baby wild ausgeräumt und alles herumgeworfen. Liegt ein zusammengefalteter Stapel in der Nähe, wird er sofort auseinandergenommen. Öffne ich den Schrank, um etwas schnell reinzulegen, ist schlagartig das Baby neben mir und zieht die Kleidung heraus, die es erreichen kann. Zum Thema Essen sage ich lieber nichts, denn ursprünglich dachte ich, meine große Tochter würde beim Essen Schweinerei machen. Nein! Es geht noch viel schlimmer und sie hat das Herausprusten von ungewollter Nahrung perfektioniert. Außerdem wirft sie besser als ihre große Schwester – sowohl Essen, als auch die Wasserflasche oder ihre Bauklötze, mit denen sie lautstark Dellen in den Wohnzimmertisch hämmert und sie dann als Wurfgeschoss verwendet.
Dazu kommt das Anziehen und wickeln. Konnte ich der Großen noch süße Outfits anziehen, so bin ich bei der Kleinen froh, wenn sie Kleidung trägt und ich sagen kann, dass ich sie dreimal am Tag gewickelt habe. Denn: Sie wehrt sich. Laut schreiend, fuchtelnd, sich weg drehend, mit aller Kraft. Sie schiebt meine Hände weg und brüllt, was das Zeug hält. Gewaschen werden? Wer will sowas denn? Den Wickeltisch haben wir lange abgeschafft – zu gefährlich. Ich sitze also regelmäßig schwitzend auf dem Boden und bemühe mich, das Kind sauber und einigermaßen angemessen gekleidet zu haben. Mann, die haben Kraft, sag ich euch.
Klingt ganz schön anstrengend? Ist es auch. Ich finde, das darf man auch sagen. Aber dann…lächeln sie dich an und sehen mit ihren kleinen Zähnchen so süß aus, dass man sie einfach nur fressen könnte. Man sitzt fasziniert auf dem krümeligen Wohnzimmerboden und sieht zu, wie sie jeden Tag die Dinge ein bisschen besser können, sich ausprobieren und Neues entdecken. Das sehen und erleben zu dürfen, ist die Anstrengung wert.
Aber was freue ich mich auf meine Couch am Abend!